VEREINSCHRONIK

Am 4.Juni 1922 wurde im Gasthof "Goldener Adler" in der Herzog-Friedrich-Straße eine allgemeine Taubstummenveranstaltung abgehalten. `Es wurde schon vor langer Zeit die Notwendigkeit betont, einen eigenen Verein für die Taubstummen zu haben., um dem fortschreitenden Zeitgeist Rechnung zu tragen`, so steht es im Protokoll vom 4. Juni 1922.

Es gab Hindernisse und Schwierigkeiten, die die Gründung eines Vereines fast unmöglich machten. Und wieder war es Fritz von Peschka (er hatte die Taubstummenschule in Wien absolviert), der nochmals zur Vereinsgründung drängte, denn wenn Tirol schon eine Taubstummenschule habe, müsse auch ein Verein her. Am 30. Juli 1922 gelang dann im Gasthaus "Zum Wilden Mann" die Vereinsgründung.


Nachdem der Verein gegründet worden war, folgten schwere Jahre, da es damals noch kein Heim für die Betroffenen gab. Die Zusammenkünfte und Besprechungen fanden meist in der Wohnung des Obmanns statt. Die Monatsversammlungen wurden in einem Gasthaus abgehalten. Ende der zwanziger Jahre waren von der großen Arbeitslosigkeit auch die Gehörlosen betroffen, es gab damals noch keinen Kündigungsschutz. Fritz von Peschka, welcher die Funktion als Obmann in den Jahren von 1922 bis 1935 ausübte, war ein selbstloser Idealist, denn er scheute keine Mühe, das Leben der Gehörlosen etwas zu erleichtern, was nicht einfach war. Das wichtigste Kommunikationszentrum war auch zugleich der Verein, denn die meisten Gehörlosen fühlten und fühlen sich in der Welt der Hörenden isoliert. Schon seinerzeit hatte man den Plan für ein eigenes Heim und man hatte auch schon Spenden dafür bekommen. Peschka hatte sozusagen den Grundstein für den Bau des Heimes gelegt, er konnte den Bau des lange ersehnten Heimes nicht miterleben, da es erst in den 60er Jahren erbaut wurde. 1935 wurden die Statuten von 1922 abgeändert und Hochwürden Direktor Josef  Sieberer wurde geistlicher Vorstand, Johann Gogl Obmann.


Von 1944 bis 1945 herrschte ein Jahr Stillstand, da der Verein wegen Bombenangriffen nicht weitergeführt werden konnte und die Gehörlosen die Sirenen nicht hören konnten.

1945 wurde der Verein reaktiviert. In den Jahren von 1945 bis 1955 war Innsbruck unter französischer Besatzung. Glücklicherweise hatten die Franzosen nichts gegen unsere Vereinsaktivitäten, da es nur um das Wohl der Gehörlosen ging. Die Zeit des Weltkrieges und die Nachkriegszeit waren für die Betroffenen nicht einfach, es herrschte damals Chaos. Aber die Gehörlosen ließen sich durch das Chaos nicht beirren, und blickten hoffnungsfroh in die Zukunft.


Die 35-Jahr-Feier war für die Gehörlosen ein besonderes Ereignis. Nach einer gut gelungenen Theateraufführung durften sich die Gehörlosen über ein eigenes Lokal freuen. Der Standort dieses Lokals war das Hutterheim in Innsbruck. Es gab ein eigenes Vereinsbüro und einen Aufenthaltsraum. Zu diesem hat uns der unvergessene Sozialreferent des Landes, Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Hüttenberger, der auch der Bauherr des späteren Gehörlosenheimes war, verholfen. So war eine ständige Verbesserung für die gehörlosen Menschen zu spüren.


Bei der Gründung im Jahr 1922 hieß der Verein "Tiroler Taubstummenverein". Ab 1938 wurde er in "Reichsverband der Gehörlosen Deutschlands e. V. - Gaubund Tirol-Vorarlberg" zwangsweise umbenannt. Nach dem Ende des Weltkrieges 1945 wurde der Name in "Gehörlosenvereinigung von Tirol und Vorarlberg" geändert. Später hieß unsere Vereinigung "Tiroler Gehörlosen-Gemeinschaft" Laut Beschluß der Generalversammlung vom 18. Juni 1961 unter Obmann Christian Kasper wurde der Verein in "Gehörlosenverein Innsbruck" umgetauft. Diese Bezeichnung hat heute noch Gültigkeit. Unabhängig vom Namen war der Sitz des Gehörlosenvereines immer in Innsbruck.


Im Gründungsjahr 1922 waren 22 Mitglieder im Verein registriert. Der Höhepunkt in der Zwischenkriegszeit war im Jahr 1930, wo der Verein 59 Mitglieder hatte. Außer 1931 und 1932 wurde die 4 -Personen-Grenze im Jahre 1939- dem Beginn des Zweiten Weltkrieges - schnellten die Zahlen plötzlich in die Höhe. In diesem Jahr wies der Verein 61 Mitglieder auf, ein Jahr zuvor waren nur 26 Personen gemeldet. Die 100-Mitglieder-Schallmauer wurde im Jahre 1947 erreicht - nämlich 105 Mitglieder. Dann sackte die Mitgliederzahlen schnell ab, ehe wir nie erreicht. Ab im Jahre 1965 wieder ein Hundert Leute-Club waren. Die Grenze von 200 Personen wurde im Jahre 1992 überschritten.


Das Jahr 1964 war ein historisches Jahr für die Gehörlosen, denn von diesem Zeitpunkt an besaßen sie ein eigenes Haus in der Ing.-Etzelstraße 67 in Innsbruck. Auf der Vorderseite des Hauses steht jetzt "Haus der Tiroler Gehörlosen". Man nannte dieses Heim auch "Valerie Mikesch-Heim". Seitdem hat sich vieles verbessert. Denn dort werden die Monatsversammlungen, Weihnachtsfeiern, Bälle, diverse Treffen und dergleichen durchgeführt. Bis heute ist dieses Haus das wichtigste Gebäude für die Gehörlosen.